07.06.2024 by André Meyer

Hybride Arbeit oder alle zurück ins Büro? [German article]

Abraxas, a leader in innovative and secure ICT solutions for Swiss government agencies, recently invited me to write an article on how organizations can leverage hybrid work as a market advantage and to better balance focus and teamwork, while at the same time ensuring data privacy and security, especially nowadays with the omnipresent AI tools, such as ChatGPT. The article appeared online and in-print in the Abraxas Magazine.

 

 

In einer Ära, in der Digitalisierung den Arbeitsplatz neu definiert, wird die erfolgreiche Integration hybrider Arbeitsmodelle zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil – sowohl für Unternehmen als auch für Verwaltungen. Dr. André Meyer kennt und benennt die Herausforderungen, die es zu meistern gilt, und verrät: So gelingt produktives und kollaboratives Arbeiten in der hybriden Arbeitswelt.

“Mit hybriden Arbeitsmodellen lassen sich Talente gewinnen und langfristig binden.” – Dr. André Meyer

Regelmässig lesen wir Schlagzeilen wie «die Bundesverwaltung migriert 40 000 Arbeitsplätze auf Microsoft 365» oder «Abraxas stattet 10 000 Wissensarbeiter:innen des Kantons Zürich mit digitaler Arbeitsplatzinfrastruktur aus». Der Trend zu der Digitalisierung des Arbeitsplatzes hat vor Jahren begonnen und sich mit der Covid-Pandemie rasant beschleunigt, um die Produktivität zu steigern und neue Anforderungen an die «hybride Arbeit» zu adressieren. Dabei geht es nicht einfach darum, allen einen Laptop
zur Verfügung zu stellen und nicht mehr klassisch 9 to 5 zu arbeiten. Vielmehr sollen Arbeitsprozesse so optimiert und teilautomatisiert werden, dass neue digitale Lösungen der Zusammenarbeit sowie künstliche Intelligenz sinnvoll eingesetzt werden können. Gleichzeitig entstehen daraus auch neue Herausforderungen, beispielsweise in der Datensicherheit und dem Wohlbefinden einzelner Wissensarbeiter:innen. Damit diese Umsetzung gelingt, beschreibt dieser Artikel einige Denkanstösse basierend auf Forschung mit und Beratung zahlreicher Organisationen.

Standort- und zeitunabhängige Arbeit als Vorteil

Hybride Arbeit beschreibt eine Kombination bereits etablierter Arbeitsformen, die Arbeitnehmenden mehr Flexibilität und Eigenverantwortung hinsichtlich Zeit, Ort und Art ihrer Arbeit ermöglicht. Während viele Organisationen zur Zeit der Pandemie gezwungen waren, sich darauf einzustellen, sind viele seither zu herkömmlichen Arbeitsweisen zurückgekehrt. Allerdings kann eine effektive Implementierung hybrider Arbeitsmodelle heute auch als Wettbewerbsvorteil dienen, um Talente zu gewinnen und langfristig zu binden.

Ein zentraler Aspekt besteht darin, den einzelnen Teams genügend Autonomie in der Gestaltung ihrer hybriden Arbeitsweise zu gewähren. Dies bedeutet nicht, dass keine Regeln festgelegt werden sollten. Vielmehr besteht die Möglichkeit, neben einigen grundlegenden Richtlinien wie einem Minimum von 3 Bürotagen oder der Einhaltung von Kernarbeitszeiten (während derer das gesamte Team anwesend ist), den Teams die Freiheit zu geben, sich auf optimale Arbeitsrhythmen zu einigen und diese eigenständig umzusetzen. Beispielsweise könnten sich Teams darauf einigen, montags, dienstags und donnerstags im Büro zu arbeiten und sicherzustellen, dass ausreichend Überschneidungen vorhanden sind, sodass sie Meetings für Brainstormings oder Entscheidungen abhalten können, was meist in Person am effizientesten ist. Zudem können zufällige Begegnungen an der Kaffeemaschine oder beim Mittagessen positive Auswirkungen auf den Teamzusammenhalt, die Organisationskultur sowie das Bewusstsein für Probleme, Chancen und offene Fragen haben.

“Effektiv gegen Stress und Burn-out: Arbeitstag in Fokus- und Teamzeiten einteilen.” – Dr. André Meyer

Balance zwischen Fokus- und Teamarbeit

Moderne Kollaborationslösungen wie Microsoft Teams und Zoom sind heute kaum mehr von hybrider Arbeit wegzudenken: «Nur schnell» ein Dokument via Screensharing erklären oder «nur kurz» den Projektstatus abfragen war noch nie so bequem. Diese Tools bergen aber auch nicht zu vernachlässigende Gefahren, kurzfristig für die individuelle Produktivität, mittelfristig für die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden. Das Problem besteht darin, dass man jederzeit unterbrochen und von der eigenen Arbeit gestört werden kann. Weil kaum jemand die eigenen Teamkollegen mit ihrer Frage warten lassen möchte, unterbrechen wir meist sofort unsere eigene Arbeit zum Beantworten dieser Anfragen. Gemäss aktueller Forschung passieren solche Unterbrüche regelmässig, oft mehrmals pro Stunde, und es dauert oft 10–15 Minuten, bis die Arbeit am unterbrochenen Task wieder an derselben Stelle fortgesetzt werden kann. Das Resultat dieser regelmässigen Unterbrüche sind nicht nur mehr Fehler und Vergessenes, sondern auch ein höheres Stresslevel.

Das daraus resultierende Unvermögen, sich auch mal für eine Stunde auf die eigene Arbeit zu konzentrieren und nicht andauernd den Kontext wechseln zu müssen, ist ein wichtiger Grund für Probleme in der mentalen Gesundheit und Burn-outs.

Eine der effektivsten Massnahmen ist das Strukturieren des Arbeitstages in Fokuszeit und Kollaborationszeit. Dabei werden beispielsweise Meetings auf den Nachmittag eingeplant, um am Morgen einige Stunden (möglichst) ungestörte Fokuszeit zu haben. Um während dieser Zeit Unterbrüche zu verhindern, empfiehlt es sich, Benachrichtigungen für neue Chats und E-Mails temporär zu deaktivieren, indem der Status in Microsoft Teams und Co. auf «nicht stören» gesetzt wird. Auch hier empfiehlt es sich, Massnahmen innerhalb des eigenen Teams abzustimmen, indem die gegenseitige Erwartungshaltung bezüglich der Reaktions- und Antwortzeit geklärt wird. Oftmals wird keine sofortige Antwort erwartet. Viele der Teams, die wir in unserer Arbeit bei FlowLabs beraten und begleiten, erwarten beispielsweise eine Antwort innerhalb eines halben Arbeitstages und ermöglichen fokussierte Arbeit insbesondere während wöchentlich zwei meetingfreien Morgen.

Daten aktiv managen und schützen

Eine effektive hybride Zusammenarbeit benötigt nicht nur eine gute Balance zwischen Fokus- und Teamarbeit, sondern auch die Möglichkeit, jederzeit und standortunabhängig auf Daten zuzugreifen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Dokumente per E-Mail verschickt oder auf dem USB-Stick mitgebracht werden, um später daran arbeiten zu können. Moderne Datenmanagement-Lösungen, von Schweizer wie auch US-amerikanischen Anbietern, erlauben das bequeme Speichern und Sichern von Dokumenten sowie die gleichzeitige Mitarbeit innerhalb eines Dokuments in Echtzeit. Jede Änderung an einem Dokument wird sofort mit jenen der Teamkolleg:innen synchronisiert.

Bei aller Bequemlichkeit ist die Einhaltung des  Schweizer Datenschutzgesetzes (revDSG) sowie gegebenenfalls weiterer Standards oder Regulatorien in Bezug auf die Datensicherheit unerlässlich. Ein aktiv verwaltetes Datenzugriffs-Management, eine Klassifizierung der Vertraulichkeit der Daten (siehe z. B. Projekt CEBA der Bundeskanzlei) und eine regelmässige Schulung zur korrekten Nutzung helfen, diese Anforderungen datenschutzkonform und mit minmalen Einschränkungen in der Benutzerfreundlichkeit umzusetzen. Des Weiteren ermöglicht eine sauber umgesetzte Daten-Management-Strategie nicht nur effizientere Zusammenarbeit, sondern hilft auch proaktiv, Datenleaks, -verlusten und -indiskretionen vorzubeugen.

ChatGPT und Co. gezielt einsetzen und mit Vorsicht geniessen

In moderner hybrider (Zusammen-)Arbeit kommt man heute kaum mehr an einem Thema vorbei: künstliche Intelligenz und insbesondere generative Sprachmodelle. Diese haben in den letzten 18 Monaten einen unglaublichen Hype ausgelöst und werden zunehmend in Alltagsszenarien eingesetzt, die über einfache Tests hinausgehen: Microsoft Teams Copilot und Zoom AI Companion ermöglichen zum Beispiel das automatische Erstellen von Meetingprotokollen und Zusammenfassungen, ChatGPT oder Google Gemini erlauben das Brainstormen neuer Ideen oder Zusammenfassen von PDF-Dokumenten. Das ist ungemein praktisch und zeitsparend. Enthusiasten haben dazu bereits das neue Zeitalter der «KI-unterstützten Arbeit» eingeleitet.

Auch wenn wir mit KI-Anwendungen noch am Anfang stehen und in den nächsten Jahrzehnten weiterhin grosse Fortschritte erwarten dürfen, sind viele dieser Lösungen auch heute schon für die produktive Arbeit einsatzfähig, sofern zwei wichtige Punkte beachtet werden:

    • Erstens ist der Output solcher Sprachmodelle immer manuell zu prüfen. Während sie meist zuverlässige und akkurate Antworten liefern, erfinden respektive generieren sie oft auch Falschinformationen, sogenannte Halluzinationen.

    • Zweitens ist vor allem bei der Arbeit mit besonders schützenswerten Daten speziell Vorsicht geboten, da diese Sprachmodelle mit den eingegebenen Daten verbessert (sogenannt trainiert) werden. Deshalb muss mittels Schulungen und auf technischer Ebene sichergestellt werden, dass keine schützenswerten Daten eingegeben oder mit öffentlich zugänglichen Sprachmodellen geteilt werden. Auch hierzu gibt es bereits erste technische Lösungsansätze, zum Beispiel von Microsoft, AlpineAI oder Ai4Privacy, welche  schützenswerte Daten vorgängig automatisch anonymisieren, bevor diese mit den Sprachmodellen verarbeitet werden.

Der Bundesrat prüft derzeit auch Regulierungsansätze, um rechtliche Grundlagen und Entscheidungshilfen zu schaffen. Enormes Potenzial erhalten diese KI-Anwendungen künftig, wenn sie mit der eigenen Datenbasis, Prozessdokumentationen und Regelwerken ausgestattet werden und damit unsere Fragen und Aufträge viel gezielter und optimiert auf die eigene Verwaltung oder das Unternehmen erledigen können.